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Quantenverschränkung zerstört Einsteins lokale Kausalität: Die Zukunft der Informatik und Kryptographie

Dec 02, 2023

Von ETH Zürich 11. Mai 2023

Forscher der ETH Zürich führten einen lückenlosen Bell-Test mit supraleitenden Schaltkreisen durch, bestätigten die Quantenmechanik und widerlegten Einsteins lokales Kausalitätskonzept. Die Erkenntnisse eröffnen Möglichkeiten im verteilten Quantencomputing und in der Quantenkryptographie.

Forschern der ETH Zürich ist es gelungen zu zeigen, dass quantenmechanische Objekte, die weit voneinander entfernt sind, viel stärker miteinander korrelieren können, als dies in herkömmlichen Systemen möglich ist. Für dieses Experiment verwendeten sie erstmals supraleitende Schaltkreise.

Teilabschnitt der 30 Meter langen Quantenverbindung zwischen zwei supraleitenden Schaltkreisen. Die Vakuumröhre (Mitte) enthält einen auf etwa –273 °C gekühlten Mikrowellenwellenleiter, der die beiden Quantenkreise verbindet. Bildnachweis: ETH Zürich / Daniel Winkler

Eine Forschergruppe um Andreas Wallraff, Professor für Festkörperphysik an der ETH Zürich, hat einen lückenlosen Bell-Test durchgeführt, um das von Albert Einstein als Antwort auf die Quantenmechanik formulierte Konzept der „lokalen Kausalität“ zu widerlegen. Indem sie zeigten, dass quantenmechanische Objekte, die weit voneinander entfernt sind, viel stärker miteinander korrelieren können, als dies in herkömmlichen Systemen möglich ist, haben die Forscher eine weitere Bestätigung für die Quantenmechanik geliefert. Das Besondere an diesem Experiment ist, dass die Forscher es erstmals mit supraleitenden Schaltkreisen durchführen konnten, die als vielversprechende Kandidaten für den Bau leistungsstarker Quantencomputer gelten.

Ein Bell-Test basiert auf einem Versuchsaufbau, der ursprünglich in den 1960er Jahren vom britischen Physiker John Bell als Gedankenexperiment entwickelt wurde. Bell wollte eine Frage klären, über die bereits in den 1930er Jahren die Großen der Physik gestritten hatten: Sind die Vorhersagen der Quantenmechanik, die der alltäglichen Intuition völlig zuwiderlaufen, richtig, oder gelten die herkömmlichen Kausalitätskonzepte auch im atomaren Mikrokosmos? wie Albert Einstein glaubte?

Um diese Frage zu beantworten, schlug Bell vor, eine Zufallsmessung an zwei verschränkten Teilchen gleichzeitig durchzuführen und diese mit der Bellschen Ungleichung zu vergleichen. Wenn Einsteins Konzept der lokalen Kausalität wahr ist, werden diese Experimente immer die Bellsche Ungleichung erfüllen. Im Gegensatz dazu sagt die Quantenmechanik voraus, dass sie dagegen verstoßen wird.

Ein Blick in einen Ausschnitt der 30 Meter langen Quantenverbindung. Ein auf nahezu den absoluten Nullpunkt gekühlter Aluminium-Wellenleiter (Mitte) verbindet die beiden Quantenkreise. Mehrere Lagen Kupferschirmung schützen den Leiter vor Wärmestrahlung. Bildnachweis: ETH Zürich / Daniel Winkler

Anfang der 1970er Jahre führten John Francis Clauser, der letztes Jahr mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurde, und Stuart Freedman den ersten praktischen Bell-Test durch. In ihren Experimenten konnten die beiden Forscher nachweisen, dass die Bellsche Ungleichung tatsächlich verletzt ist. Allerdings mussten sie bei ihren Experimenten bestimmte Annahmen treffen, um sie überhaupt durchführen zu können. Theoretisch könnte es also immer noch so gewesen sein, dass Einstein mit seiner Skepsis gegenüber der Quantenmechanik Recht hatte.

Mit der Zeit könnten jedoch immer mehr dieser Lücken geschlossen werden. Im Jahr 2015 gelang es verschiedenen Gruppen schließlich, die ersten wirklich lückenlosen Bell-Tests durchzuführen und damit den alten Streit endgültig beizulegen.

Um die 30 Meter lange Quantenverbindung effizient zu kühlen, haben die Forscher einen eigenen Kryostat entwickelt. Dieser wird in der Mitte des Quantenlinks eingebaut. Bildnachweis: ETH Zürich / Daniel Winkler

Wallraffs Gruppe kann diese Ergebnisse nun mit einem neuartigen Experiment bestätigen. Die in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Arbeit der ETH-Forschenden zeigt, dass die Forschung zu diesem Thema trotz der ersten Bestätigung vor sieben Jahren noch nicht abgeschlossen ist. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen bestätigt das Experiment der ETH-Forscher, dass auch supraleitende Schaltkreise nach den Gesetzen der Quantenmechanik funktionieren, obwohl sie viel größer sind als mikroskopisch kleine Quantenobjekte wie Photonen oder Ionen. Die mehrere hundert Mikrometer großen elektronischen Schaltkreise aus supraleitenden Materialien, die mit Mikrowellenfrequenzen betrieben werden, werden als makroskopische Quantenobjekte bezeichnet.

Zum anderen haben Bell-Tests auch eine praktische Bedeutung. „Modifizierte Bell-Tests können beispielsweise in der Kryptographie eingesetzt werden, um nachzuweisen, dass Informationen tatsächlich verschlüsselt übertragen werden“, erklärt Simon Storz, Doktorand in Wallraffs Gruppe. „Mit unserem Ansatz können wir viel effizienter als in anderen Versuchsaufbauten nachweisen, dass die Bellsche Ungleichung verletzt ist. Das macht ihn für praktische Anwendungen besonders interessant.“

Das Kernteam des Quantum Device Laboratory der ETH Zürich, das das Experiment durchgeführt hat. Von links nach rechts: Anatoly Kulikov, Simon Storz, Andreas Wallraff, Josua Schär, Janis Lütolf. Bildnachweis: ETH Zürich / Daniel Winkler

Allerdings benötigen die Forscher dafür eine ausgefeilte Testanlage. Denn damit der Bell-Test wirklich lückenlos ist, müssen sie sicherstellen, dass zwischen den beiden verschränkten Schaltkreisen keine Informationen ausgetauscht werden können, bevor die Quantenmessungen abgeschlossen sind. Da Informationen am schnellsten mit Lichtgeschwindigkeit übertragen werden können, muss die Messung weniger Zeit in Anspruch nehmen, als ein Lichtteilchen benötigt, um von einem Stromkreis zum anderen zu gelangen.

Beim Aufbau des Experiments gilt es also, eine Balance zu finden: Je größer der Abstand zwischen den beiden supraleitenden Schaltkreisen, desto mehr Zeit steht für die Messung zur Verfügung – und desto komplexer wird der Versuchsaufbau. Dies liegt daran, dass das gesamte Experiment in einem Vakuum nahe dem absoluten Nullpunkt durchgeführt werden muss.

Die ETH-Forschenden haben die kürzeste Distanz, über die ein lückenloser Bell-Test erfolgreich durchgeführt werden kann, auf rund 33 Meter ermittelt, da ein Lichtteilchen für diese Distanz im Vakuum etwa 110 Nanosekunden benötigt. Das sind einige Nanosekunden mehr, als die Forscher für die Durchführung des Experiments benötigten.

Wallraffs Team hat in den unterirdischen Gängen des ETH-Campus eine beeindruckende Anlage errichtet. An jedem seiner beiden Enden befindet sich ein Kryostat, der einen supraleitenden Schaltkreis enthält. Diese beiden Kühlapparate sind durch ein 30 Meter langes Rohr verbunden, dessen Inneres auf eine Temperatur knapp über dem absoluten Nullpunkt (–273,15°C) gekühlt wird.

Before the start of each measurement, a microwave photonA photon is a particle of light. It is the basic unit of light and other electromagnetic radiation, and is responsible for the electromagnetic force, one of the four fundamental forces of nature. Photons have no mass, but they do have energy and momentum. They travel at the speed of light in a vacuum, and can have different wavelengths, which correspond to different colors of light. Photons can also have different energies, which correspond to different frequencies of light." data-gt-translate-attributes="[{"attribute":"data-cmtooltip", "format":"html"}]"> Photonen werden von einem der beiden supraleitenden Schaltkreise auf den anderen übertragen, so dass die beiden Schaltkreise miteinander verschränkt werden. Zufallszahlengeneratoren entscheiden dann, welche Messungen an den beiden Stromkreisen im Rahmen des Bell-Tests durchgeführt werden. Anschließend werden die Messergebnisse auf beiden Seiten verglichen.

After evaluating more than one million measurements, the researchers have shown with very high statistical certainty that Bell's inequality is violated in this experimental setup. In other words, they have confirmed that quantum mechanics also allows for non-local correlations in macroscopic electrical circuits and consequently that superconducting circuits can be entangled over a large distance. This opens up interesting possible applications in the field of distributed quantum computingPerforming computation using quantum-mechanical phenomena such as superposition and entanglement." data-gt-translate-attributes="[{"attribute":"data-cmtooltip", "format":"html"}]">Quantencomputing und Quantenkryptographie.

Der Bau der Anlage und die Durchführung des Tests seien eine Herausforderung gewesen, sagt Wallraff. „Wir konnten das Projekt über einen Zeitraum von sechs Jahren mit Mitteln eines ERC Advanced Grant finanzieren.“ Allein die Abkühlung des gesamten Versuchsaufbaus auf eine Temperatur nahe dem absoluten Nullpunkt ist mit erheblichem Aufwand verbunden. „In unserer Maschine stecken 1,3 Tonnen Kupfer und 14.000 Schrauben, dazu jede Menge Physikwissen und Ingenieurs-Know-how“, sagt Wallraff. Er glaubt, dass es prinzipiell möglich wäre, Anlagen zu bauen, die auf die gleiche Weise auch größere Distanzen überwinden. Mit dieser Technologie könnten beispielsweise supraleitende Quantencomputer über große Entfernungen vernetzt werden.

Referenz: „Loophole-freie Bell-Ungleichheitsverletzung bei supraleitenden Schaltkreisen“ von Simon Storz, Josua Schär, Anatoly Kulikov, Paul Magnard, Philipp Kurpiers, Janis Lütolf, Theo Walter, Adrian Copetudo, Kevin Reuer, Abdulkadir Akin, Jean-Claude Besse, Mihai Gabureac, Graham J. Norris, Andrés Rosario, Ferran Martin, José Martinez, Waldimar Amaya, Morgan W. Mitchell, Carlos Abellan, Jean-Daniel Bancal, Nicolas Sangouard, Baptiste Royer, Alexandre Blais und Andreas Wallraff, 10. Mai 2023, Natur. DOI: 10.1038/s41586-023-05885-0

Forschern der ETH Zürich ist es gelungen zu zeigen, dass quantenmechanische Objekte, die weit voneinander entfernt sind, viel stärker miteinander korrelieren können, als dies in herkömmlichen Systemen möglich ist. Für dieses Experiment verwendeten sie erstmals supraleitende Schaltkreise.